Die transformative Kraft von Geschichten in Konfliktsituationen
Konflikte im Team? Zeit für einen pfiffigen Ansatz: Storytelling! Verbindet Denken und Emotionen, öffnet neue Perspektiven. Erfahren Sie mehr!
Storytelling ist eine wirksame Methode, um die verschiedenen Teile unseres Gehirns miteinander zu verbinden. Es ermöglicht eine Verbindung zwischen dem rationalen Denken und dem emotionalen System, bestehend aus dem limbischen Gehirn und dem Reptiliengehirn. Diese Verbindung ermöglicht es uns, unser Verhalten und somit auch unsere Konfliktmuster zu verändern.
Ein Teamleiter eines international tätigen Abfallentsorgungsunternehmens beauftragte mich mit einer Teamklärung, da sich die Stimmung im Team drastisch verschlechtert hatte. Die Motivation und die Arbeitsleistung litten erheblich darunter. Der Teamleiter vermutete schwelende Konflikte im Team, die oft unter den Teppich gekehrt wurden. Mit der Teamklärung wollte er Klarheit gewinnen, die Konflikte angehen und verbesserte Zukunftsstrategien entwickeln.
Konflikttypen: Warum Konflikte häufig nicht gelöst werden
Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, ist die Bereitschaft, den Teppich wegzunehmen und die darunterliegenden Konfliktpotenziale zu erkennen, bei den unter den Teppich gekehrten Konflikten nicht sehr ausgeprägt. Abhängig vom Konflikttyp neigen die Teammitglieder dazu, die Differenzen nach außen hin zu bagatellisieren, zu beschönigen und zu ignorieren. Einige sind sogar der Meinung, dass sie den Streit selbst besser lösen können.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Konfliktklärung, bei denen es völlig normal ist, beschuldigen sich die Kollegen gegenseitig, ihre Arbeiten nicht so zu erledigen, dass sie Hand in Hand gehen können. Der eine spielt lieber mit dem Mobiltelefon herum, der andere nimmt es mit den Raucherpausen nicht so genau, und eine Kollegin verquatscht sich gerne mal in der Küche. Die Arbeit bleibt liegen, und Frustration und Ärger steigen bei allen Beteiligten.
Als Konflikthelfer halte ich gesteuerte Eskalationen wie diese für wichtig, damit die angestauten Emotionen freigesetzt werden können. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass die Konfliktparteien zwischendurch entspannen und Ruhe in die Diskussion einkehrt. Ich möchte auch, dass das Problem auf eine andersdenkende Ebene gehoben wird, um neue Perspektiven zu ermöglichen.
Also frage ich die Teilnehmenden: „Mir fällt da gerade eine Geschichte ein. Möglicherweise ist sie ganz und gar unpassend, aber da sie mir gerade einfällt, würde ich sie einfach einmal erzählen, einverstanden?“
Storytelling: Das kleine Königreich
Es war einmal ein winzig kleines Königreich, das ausschließlich vom Anbau besonders guten und in der ganzen Welt sehr geschätzten Weines lebte. Das Königreich erfreute sich eines weisen und gütigen Herrschers, der stets bestrebt war, seinem Volke ein glückliches Leben zu ermöglichen. So dachte er eines Tages darüber nach, wie er seinem Volke die hohen Steuerabgaben ersparen könne, die für die Bereitstellung einer guten Infrastruktur notwendig waren. Nach einigem Grübeln kam ihm der zündende Gedanke: Ein jeder Bürger sollte jährlich zur Weinernte eine Flasche Wein seine besten und kostbarsten Reben abgeben und in ein enormes Fass gießen. So gebe es am Ende ein riesiges Fass mit dem besten Wein der Welt. Diesen wollte der König zu hohen Preisen verkaufen, um mit dem Erlös die Ausgaben für die Infrastruktur des Landes zu decken. So müsste kein Bürger mehr Steuern zahlen und gemeinsam könnte das Volk dafür sorgen, dass es dem Lande gut ginge.
Die Bürger waren begeistert und das ganze Land bereitete sich auf das erste Erntedankfest vor. Alle Bürger fanden sich auf dem großen Platz vor dem königlichen Palast ein und standen Schlange vor dem großen Fass. Als ein jeder seinen Beitrag zum königlichem Wein in das Fass gegeben hatte, hielt der König eine berührende Rede, zapfte ein Glas des kostbaren Weines und hob an, auf das Wohl seines Landes und seines Volkes einen feierlichen Schluck zu trinken.
Doch kaum hatte er das Glas an seine Lippen angesetzt, erstarrte seine bis dahin fröhliche Miene. Was er trank, war pures Wasser!
Verlegen schauten sich die Bürger an. Jeder bereute es, gedacht zu haben: Ach, bei all den vielen Litern vorzüglichem Wein wird es ja nicht auffallen, wenn ich eine Flasche Wasser hineingieße!
Und so fiel das Freudenfest ins Wasser.*
Wie bereite ich diese Methode vor?
Für meine Aufgaben als Konflikthelfer und Trainer verwende ich ein altes Buch und klebe die Geschichten nach und nach ein. In Vorbereitung kann ich oft schon abschätzen, wohin die Reise geht.
Was noch? Wo kann ich diese Lernmethode noch einsetzen?
Natürlich sind solche Geschichten universell einsetzbar. Interessant ist Storytelling, weil es das eigentliche Problem aus einer anderen Perspektive zunächst beschreibt, und – wie in dieser Geschichte – auch den Perspektivwechsel fördert. Es ist zwingend erforderlich, dass ich mich selbst mit der Geschichte 100%ig identifiziere. Ich setze diese Kurzgeschichten gerne auch in Nachbarstreitigkeiten und in der Mediation ein.
Mein Fazit zu dieser Methode
Es kommt auf den richtigen Moment an. In dem Beispiel Teamkonflikt wurde im Anschluss erst über die Bürger, die Steuern und den enttäuschten König gesprochen. Dann wurden auch schon die Verbindungen zwischen dem Königreich und dem eigenen Erleben in der Abteilung thematisiert. Allerdings längst nicht mehr so emotional.
*Quelle: Gelesen habe ich diese Methode unter anderem in dem Buch ‚Storytelling – Konflikte
lösen mit Herz und Verstand‘ von Hanna Milling