Entwicklung negativer Emotionen und steigende Aggression der Kunden
Einblick in die Herausforderungen im Kundencenter der Stadtwerke: Aggressive Kunden, Emotionen und Konflikte. Mitarbeiter benötigen professionelle Unterstützung. Eine Wunschliste für das Konflikttraining wird erstellt.
„Montags ist ein ganz schwieriger Tag für uns“, meint Lea. Sie ist eine von 8 Kolleginnen im Kundencenter der Stadtwerke. „Obwohl der Mittwoch und der lange Donnerstag auch die Hölle sein können“, ergänzt sie schnell, und schon steht der nächste Kunde bereit.
Die Führungsverantwortlichen haben mich gerufen, weil sie der Meinung sind, dass die negativen Emotionen vieler Kunden so extrem sind, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dringend professionelle Unterstützung benötigen. Im Vorgespräch wird zwar betont, dass es auch viele nette Kunden gibt, doch tendenziell hat die Aggression zugenommen.
Von dieser Aggression konnte ich mich selbst überzeugen, als ein älterer Herr aus dem Nichts Kollegin Lea beschimpfte. Er nannte die Stadtwerke Halsabschneider und behauptete, sie würden nur noch mehr Profit zulasten der kleinen Bürger erzielen wollen. Er warf ihnen Betrug vor und war der Ansicht, dass sie sich mit freundlichen Prospekten als vertrauenswürdige Stadtwerke ausgeben. Dabei gestikulierte er energisch mit den Armen und schlug mit der Faust auf den Tisch. Während er breitbeinig vor seiner Kundenberaterin saß, versuchte die Kollegin das Gespräch sachlich zu halten. Ohne Erfolg: Er sprang bei einzelnen Worten jedes Mal an, wie ein Hund, der die Grundstückgrenze verteidigt und Passanten ankläfft und die Zähne zeigt.
„Sehen Sie“, deutet Lea auf das Gespräch. „So geht es hier jeden Tag, von morgens bis abends. Am schlimmsten sind die dunklen Jahreszeiten und wenn die Jahresverbrauchsabrechnungen verschickt werden. Und dann noch die ständigen Anpassungen durch die von der Regierung veranlassten Maßnahmen. Das verärgert die Kunden, aber auch die Mitarbeiter. Schließlich sind sie ebenfalls von diesem Wirrwarr betroffen.“
Ich verschaffe mir zunächst einmal einen Überblick darüber, wie sich die Emotionen der Kunden zeigen. Bei einem leckeren Stück Pizza und einem kühlen Getränk sitzen wir gemeinsam in der Kantine, lernen uns kennen und tauschen Erfahrungen aus. Für meine Vorbereitung ist das von elementarer Bedeutung. Ich konzentriere mich auf die Teilnehmenden und höre zwischen den Zeilen, wo der Schuh wirklich drückt.
Die meisten sprudeln förmlich die verschiedensten Szenen heraus. Kein Wunder, schließlich machen sie diese Erfahrungen jeden Tag aufs Neue. Ich bin froh darüber, dass die Stimmung im Team sehr authentisch und wertschätzend ist. Jeder betont, dass es auch viele Menschen gibt, die supernett sind und sich gefühlt 100-mal für die Hilfe bedanken.
Anhaltende Konflikte können zu Depressionen oder Burnout führen
Während die Kolleginnen und Kollegen viele Situationen beschreiben, die sie erlebt haben und die ihnen teilweise auch schwergefallen sind, wird es etwas ernster, als mir eine Kollegin berichtet, dass sie seit einigen Monaten mit einer Depression in Behandlung ist. Sie konnte einige krasse Diskussionen nicht verarbeiten und nahm Gedanken und schlechte Gefühle mit nach Hause. Offensichtlich überhörte sie jedoch erste Warnsignale wie schlechtes Einschlafen, nächtliches mehrfaches Aufwachen, Lustlosigkeit, Gereiztheit und soziale Rückzugtendenzen.
Da die Stimmung in unserem Vorgespräch gut war, einigten wir uns darauf, zunächst die klassischen emotionalen Ausbrüche zu notieren und dann eine Wunschliste zu erstellen. Diese Liste beginnt mit dem Halbsatz: „Ich möchte im Seminar konkret und praxisnah erfahren, wie…?“ Dazu später mehr…
5 Konfliktverhaltensweisen von Stromkunden
In diesem Blog werde ich nur 5 Verhaltensweisen notieren, die in klassischer Weise mit leicht abweichenden Nuancen auftreten. Eine gewichtige Rolle spielen dabei die nonverbale Kommunikation und die Sprechweise (Lautstärke, Tonfall, Tempo) des Kunden.
- Der lautstarke Kunde möchte offenbar seine Erwartungen und Meinungen mit Lautstärke durchsetzen. Das kann sich noch verstärken, wenn er den Mitarbeiter nicht ausreden lässt oder seine Körpersprache zusätzlich einsetzt.
- Ein Kunde, der direkt oder indirekt mit Konsequenzen droht. Klassische Beispiele sind der Bürgermeister, die Anwältin, die Presse, der Verbraucherschutz oder der große Bruder (Scherz). Aber im Ernst: Es kommt gelegentlich auch zu Drohungen von Gewalt gegen das Unternehmen und die Mitarbeiter. (Hier gilt ein klares STOPP-SCHILD.)
- Nicht selten greifen emotional gesteuerte Kunden zu Beleidigungen und stellen die Kompetenz in Frage. Meine Kolleginnen haben Worte wie Betrüger, Mafia, Machenschaften, Seilschaften, Gier und Egoisten genannt.
- Unangenehm und äußerst schwierig sind auch die Besserwisser und Rechthaber. Sie kommen anscheinend nicht ins Kundencenter, um Informationen zu erhalten, sondern suchen Bestätigung für ihre Annahmen. Es ist nicht einfach, mit jemandem ein Gespräch zu führen, der bereits von vornherein fest davon überzeugt ist, dass die andere Partei im Unrecht ist, so die Erfahrungen meiner Kollegen.
- Eine weitere schwierige Zielgruppe sind Menschen, die unsere Sprache nicht verstehen, klassische Sprachbarrieren also. Einige bringen ihre kleinen Kinder mit, die dann versuchen, das Gespräch simultan zu übersetzen. In der Praxis sind alle nach wenigen Minuten überfordert. Emotionale Spannungen nehmen zu. Abgesehen von den sprachlichen Schwierigkeiten geben einige männliche Gesprächspartner deutlich zu verstehen, dass sie lieber mit einem Mann sprechen möchten. Es sind jedoch nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Hindernisse, die überwunden werden müssen.
Die genannten Punkte stellen sicherlich keine abschließende Betrachtung dar und können beliebig ergänzt und verfeinert werden. In unserer Auflistung haben wir den Unterschied im Geschlecht und Alter (Generationen) sowie die aktuelle Verunsicherung durch die Stapelkrise (Corona, Energie, Lieferketten, Branchentransformation, Inflation, Rezession 2024) berücksichtigt. All diese Veränderungen verunsichern viele Menschen.
20 Punkte für eine sehr lange Seminarthemen-Wunschliste
Nach unserem Pizza-Gespräch mit sehr netten und konstruktiven Teilnehmenden blieb ich noch eine Weile sitzen, um meine Notizen zur Wunschliste zu überarbeiten. In rasanter Geschwindigkeit wurden mir von den Damen und Herren, leicht amüsiert, knapp 20 Wünsche für das Konflikttraining genannt. Es herrschte eine hohe Erwartungshaltung an ein praxisnahes Training. Aufregend!
Während die Führungskräfte – ebenfalls amüsiert und in großer Erwartung auf das Training – mir noch einige Stichworte mitgaben, formulierte ich die ersten 5 Wünsche wie folgt:
- Wie schaffe ich es, dass mein Gegenüber mir wirklich zuhört?
- Wie bleibe ich selbst in schwierigen Gesprächen stabil und gelassen, unabhängig von der vorherigen Gesprächsentwicklung?
- Wie deeskaliere ich einen aufgebrachten Kunden und bewahre dabei meine Gelassenheit?
- Wie trenne ich klar zwischen beruflichen und privaten Angelegenheiten?
- Wie führe ich Gespräche effizienter, ohne dabei Inhalte zu vernachlässigen oder unhöflich zu wirken?
Perfekt! Mit diesen beiden Fragen und einem soliden Vorgespräch mit den Führungskräften der Stadtwerke kann die Vorbereitung auf das Training beginnen. Und gerne wieder mit Pizza!