Stromsperre: Gespräche mit Stromkunden werden schwieriger
Jährlich werden 300.000 Stromanschlüsse gekappt, weil Haushalte nicht mehr bezahlen können. Tendenz steigend! Außendienstmitarbeiter werden persönlich attackiert und beleidigt.
Schwierig waren Gespräche bei klammen Stromkunden schon immer. Und wer die Stromrechnungen nicht bezahlen konnte, der hatte meist auch schon die Miete nicht aufbringen können. Teilweise sind es sogar immer dieselben Kunden, denen der Hahn abgedreht wird. Man nennt sie dann wohl liebevoll: die Pappenheimer.
Doch das Bild trügt. In kürzester Zeit werden Sperraufträge herausgegeben, deren Namen bisher nicht bekannt waren, also nicht zu den Pappenheimern zählen. Die Energiekrise hat zudem Kunden wieder an Land gespült, die den heimischen Energieversorger eigentlich verlassen wollten.
Tatsache ist, dass viele Haushalte mit den steigenden Kosten überfordert sind. Dabei handelt es sich um die arbeitende Bevölkerung, die zu wenig verdient, um die Kostenexplosionen aufzufangen. Andererseits verdient sie zu viel, und der Staat greift ihr nicht unter die Arme.
Eine schwierige Situation, die sich mittelfristig zu einem Flächenbrand der Unzufriedenheit auswirken und erhebliche Folgen mit sich bringen kann.
Die Ziele in diesem Training
Die Führungsebene der Stadtwerke wollen im Kommunikationstraining erreichen, dass die Sperrkassierer (eigentlich kassieren sie nicht mehr …) in den Kundengesprächen deeskalierend auf den Stromabnehmer einwirken.
Zum einen soll damit die Konflikteskalation im Zaum gehalten werden, damit sich der Sperrkassierer sicherer fühlen kann. Das ist auch notwendig, denn in den letzten Jahren nimmt die Aggressivität in den Gesprächen deutlich zu. Leider kam es in einigen Gesprächen auch schon zu Handgreiflichkeiten und persönlichen Drohungen.
Ein weiteres Ziel ist es, das eigene Kommunikationsverhalten gezielt auf diese Konfliktsituation auszurichten. Im Klartext: „Nicht selbst noch Öl ins Feuer gießen.“
Sperrkassierer bevorzugen eine klare, unverblümte Sprache
Ein spannendes Projekt, denn die mir bekannten Sperrkassierer verfügen über ein sehr hohes Praxiswissen und haben sich persönliche Deeskalationsstrategien angeeignet. Und klar, die meisten Außendienstmitarbeiter sind Handwerker, die eine klare Sprache bevorzugen und den Sachverhalt auch nicht durch die Blume erklären wollen.
Trainer für Sperrkassierer brauchen ein gutes Standing
Wer als Referent/Trainer in dieser Zielgruppe bestehen möchte, sollte über mehr als nur ein solides Basiswissen über Konflikte und deren Mechanismen verfügen. Sehr gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, wenn das praktische Training ohne viel Theorie auskommt. Dabei spielen Simulationen eine wichtige Rolle, auch wenn sie in der Beliebtheitsskala der Teilnehmenden nicht ganz oben stehen. Das macht aber nichts.
Wer erkennt, dass man aus einzelnen Szenen gute Beispiele analysieren und entwickeln kann, der ist früher oder später auch motiviert dabei. Das belebt das Training, sorgt für den einen oder anderen Lacher und wir verzichten auf unattraktive Folienschlachten.
Mein persönliches Highlight: Begleitung vor Ort
Wer als Konflikttrainer unterwegs ist und sich eine Vielzahl von Praxisbeispielen wünscht, ist bei der Live-Begleitung genau richtig. Denn nichts geht über das echte Gespräch, wenn der Stromkunde nicht zahlen kann. Ich habe viele Kollegen begleitet und wir haben nach jedem Besuch eine kleine Bordsteinkonferenz geführt. Mein Fazit: es waren zum Teil explosive Kundengespräche, die mit wenigen Ausnahmen deeskaliert werden konnten. Auch das eigene Verhalten konnte jeweils im Anschluss ganz praktisch – bei einer Tasse Kaffee – reflektiert werden. Respektvoll, aber im Klartext, wie sich das gehört. Trotz der Umstände ein sehr interessantes Projekt.